Stimmungsmache statt Haushaltsrede

Ewa Wawrzyniak-Knott

Vergangenen Montag brachte Bürgermeister Dr. Storch den Haushalt 2015/16 ein. Traditionell bietet die Rede, die formell keine Gegenrede zulässt, dem Bürgermeister die Möglichkeit Erfolge des laufenden und Planungen der nächsten Jahre zu erörtern. Was vergangen Montag im Rathaus passierte, war alles andere als traditionell. Dr. Storch erläuterte emotionslos kurz den Haushalt und verwies für weitere Fragen an seinen Kämmerer.
Keine Visionen, keine Perspektiven, keine Lust? Auch kein Wort verlor der Bürgermeister über die bemerkenswerte Einigkeit in den Bemühungen des Gemeinderates und der Verwaltung an Förderprogrammen des Landes bzw. Bundes zu partizipieren. Für einen Bürgermeister, der noch vor 22 Wochen in seinem Amt bestätigt wurde und die letzten Jahre die Geschicke Eitorfs maßgeblich geprägt hat, war das was nun folgte ein Armutszeugnis. In einer Art Wutrede bezog er Stellung zur aktuellen Flüchtlingssituation.
Dr. Storch: „Ich lehne einen weiteren Zuzug von Flüchtlingen und/oder Asylbewerbern nach Deutschland und nach Eitorf strikt ab!“ Vor den schockierten Ratsmitgliedern liess er es auch nicht aus, die anwesenden Pressevertreter zu kritisieren. Sie sollen doch  mehr über negative Vorfälle berichten, um den Riss, der seiner Meinung nach durch die Eitorfer Bevölkerung geht, zu begründen. „Das hat mit dem Haushalt zu tun, wir alle müssen das zahlen!“ oder „Die Bürger haben Angst um ihren Wohlstand!“ sind Äusserungen, die man von jemandem der das Grundgesetz verteidigen soll, zumindest hat er das bei seiner Amtseinführung nun zum dritten Mal geschworen, nicht hören darf! Er begründete seine Ausführungen mit seinem Recht auf freie Meinungsäusserung.

Gut besuchtes Willkommenscafé

Einen Tag zuvor waren viele Aktive der SPD in Begleitung ihres Landtagsabgeordneten Dirk Schlömer der Einladung zum Willkommens-Café nachgekommen. Im Leonardo bot sich die Möglichkeit einen Nachmittag für Gespräche mit engagierten Eitorferinnen und Eitorfern zu nutzen, aber auch um ganz konkret den Kontakt mit den Flüchtlingen zu suchen. Die Dankbarkeit über das, was sie hier in Eitorf an Menschlichkeit und Nächstenliebe erfahren haben, liessen sie mehrfach durch verschiedene Aktionen alle anwesenden Bürger klar erkennen. Solche Aktionen und Veranstaltungen sind es, die Transparenz über die Situation innerhalb der Eitorfer Bevölkerung schaffen. Die Schulen leisten jetzt schon enorm wichtige Integrationsarbeit  in ihren Klassen. Im letzten Integrationsrat war die Beschulung von Flüchtlingskindern in Eitorf ein wichtiges Thema. Der Haushaltsrede des Bürgermeisters konnte man kein Konzept für die nächsten Jahre entnehmen. Andere Kommunen im Rhein-Sieg-Kreis beschäftigen sich schon längst mit Konzepten und stellen sich dieser Herausforderung. Die anwesenden Lehrer/innen und Schulleiter/in bekräftigten im Integrationsrat ihren Willen sich dieser Herausforderung zu stellen und sie zu bewältigen. Außerdem unterstützen viele Ehrenamtliche durch Hilfe  bei der Übersetzung, um Kinder im Schulunterricht zu integrieren. Diese Schüler wurden als hochmotiviert beschrieben.

Ewa Wawrzyniak-Knott Aus dem Integrationsrat berichtet SPD-Ratsmitglied Ewa Wawrzyniak-Knott: „Schule und der Unterricht haben sich verändert. Auch die deutschen Schüler profitieren davon. Dies macht sich bemerkbar in der Artikulation der eigenen Muttersprache, aber auch im Umgang untereinander. Es ist wichtig, dass wir seitens der Politik Maßnahmen ergreifen, um diese Arbeit zu unterstützen. Dabei ist es wichtig auf Erfahrungen mit heterogenen Lerngruppen zurückzugreifen und bestehende Kooperationen zu fördern.“


AfD lobt Bürgermeister für seine Äusserung

Umso mehr verwundert es, wie vehement der Bürgermeister in seiner Haushaltsrede den „gesellschaftlichen Riss“ herausstellte. Daraus resultierte auch, dass man vergangenen Donnerstag auf einer Kundgebung der rechtspopulistischen AfD auf dem Siegburger Marktplatz lobende Worte für den FDP-Mann aus Eitorf fand. Gegen diese Kundgebung fand sich auf dem Marktplatz ein breites Bündnis aus verschiedenen Organisationen, darunter SPD, CDU, Grünen, Piraten, Jusos, Junger Union, Grüner Jugend und Jungen Liberalen, sowie AWO und DGB, katholischer und evangelischer Kirche zusammen. Mehr als 1000 Bürgerinnen und Bürger des Rhein-Sieg-Kreises setzten ein unübersehbares Zeichen gegen Rassismus und Rechtspopulismus.

Sehr gut formulierte es der SPD-Landtagsabgeordnete Dirk Schlömer mit seinen Worten: „Hier stehen über 1000 Menschen von heute gegen 100 Ewiggestrige.“ Mit einer großen Gruppe war auch die SPD Eitorf vertreten und demonstrierte für Demokratie und Vielfalt.
Alle Redner des breiten demokratischen Bündnisses waren sich einig: Wer jetzt die Hilfe verwehrt, verstößt gegen unser Grundgesetz und schürt Ressentiments gegenüber den Geflüchteten und Vertriebenen. Der Bund müsse endlich umfangreiche finanzielle Hilfen bereitstellen, damit die Kommunen die an sie gestellten Aufgaben bewältigen können!

„Akustische Geiseln“
Rückwirkend kann man feststellen, dass die Art und Weise wie der Bürgermeister seine privaten Sorgen und Ängste kommuniziert hat, nicht dem Handeln eines verantwortungsvollen Bürgermeisters entspricht. Nur die demokratischen Gepflogenheiten haben die Fraktionen dazu bewegt nicht den Raum zu verlassen und sich somit zu „akustischen Geiseln“ nehmen lassen.
Sara Zorlu Alexander Jüdes Abschließend stellen die beiden Vorsitzenden der Fraktion und des Ortsvereins, Sara Zorlu und Alexander Jüdes, gemeinsam fest: „Es ist alarmierend, wenn der erste Bürger unserer Gemeinde zum einem öffentliches Lob von der AfD und ihren Anhängern erhält, und zum anderen wohlwissend solche Worte zum Haushalt wählt. Denn es muss ihm bewusst sein, welches Bild er von engagierten Eitorfer Bürgerinnen und Bürgern und dem Zustand „seiner“ Gemeinde in der öffentlichen Wahrnehmung hinterlässt. Ein nachträgliches Revidieren ist bei dieser Art der Präsentation für die SPD nicht hinnehmbar!“

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